Hohes Haus (Schwäbisch Hall)

Datenbank Bauforschung/Restaurierung

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Ehemaliges Siechenhaus

ID: 173050451515  /  Datum: 12.01.2022
Datenbestand: Bauforschung und Restaurierung
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Objektdaten

Straße: Stuttgarter Straße
Hausnummer: 2
Postleitzahl: 72622
Stadt-Teilort: Nürtingen

Regierungsbezirk: Stuttgart
Kreis: Esslingen (Landkreis)
Wohnplatzschlüssel: 8116049004
Flurstücknummer: keine
Historischer Straßenname: keiner
Historische Gebäudenummer: keine
Lage des Wohnplatzes: Lage des Wohnplatzes
Geo-Koordinaten: 9,3318° nördliche Breite, 48,6297° östliche Länge

Kartenansicht (OpenStreetMaps)

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Objektbeziehungen

keine

Umbauzuordnung

keine

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Bauphasen

Kurzbeschreibung der Bau-/Objektgeschichte bzw. Baugestaltungs- und Restaurierungsphasen:

Die Untersuchungen zeigen deutlich, dass aufgrund der zwei gravierenden Umbauten im Jahr 1862 und von 1947-50 von dem ursprünglichen Siechenhaus nur ein Torso übriggeblieben ist. Wenn überhaupt noch größere zusammenhängende Befunde vorhanden sind, so sind sie vor allem in den Deckenbereichen über EG und 1.OG zu vermuten. Im Erdgeschoss grenzt sich der Ursprungsbestand vor allem auf die Umfassungswände, im Obergeschoss auf die tragenden Bundständer ein, während die Innenwände zum allergrößten Teil ersetzt oder gänzlich abgebaut wurden. Gleichwohl erlauben die vorhandenen Relikte vor allem für das Obergeschoss den Versuch einer Rekonstruktion der baulichen und räumlichen Struktur vorzunehmen. So folgt das Gebäude vor allem in seinem durchgängigen Mittellängsflur, aber auch dem quer in der Gebäudemitte liegenden Querflur einem seit der zweiten Hälfte des 15. Jh. geläufigen Bautyp, der sich vorzugsweise bei herrschaftlichen oder klösterlichen Bauten, bei flexibel genutzten Speicherbauten oder eben in Gebäuden sozialer Einrichtungen wie Spitäler, Seelhäuser oder Leprosorien vorfindet. Gefügetechnisch passt das Gebäude nahtlos in das Spektrum der in der ersten Hälfte des 16. Jh. üblichen Bauweise der Holzgerüstbauten. Dabei erscheinen das nachgewiesene Fußband am östlichen Eckständer sowie die Blattverbindungen der im Dachwerk von 1862 zweitverwendeten, jedoch höchstwahrscheinlich zum Ursprungsbau zugehörigen Sparren von 1531/32 (1531 d) noch wie ein Nachklang des Mittelalters. Das Siechenhaus gehört damit zur großen Zahl sogenannter übergangszeitlicher Fachwerkbauten. In der der höchstwahrscheinlich auch hier vorliegenden, frühneuzeitlichen Ausprägung des Fachwerks mit geschwungenen, vorzugsweise paarig die Ständer aussteifenden Fußstreben, die möglicherweise in Württemberg unter Herzog Eberhard im Bart entwickelt oder zumindest gefördert und auch unter Herzog Ulrich weiter propagiert wurden.
Doch eben genau daraus leitet sich die vielleicht spannendste Frage zur Baugeschichte des Nürtinger Siechenhauses ab: das dendrochronologisch ermittelte Baudatum 1531/32 zeigt eine interessante Diskrepanz zur schriftlichen Überlieferung. So berichtet Reinhard Tietzen, der Nürtinger Stadtarchivar, in einem ausführlichen Artikel zum Siechenhaus in der Nürtinger Zeitung (Ausgabe vom 17.11 2018, S.33), von einem Neubau "im Jahr 1535", der „neben dem alten Siechenhaus“ errichtet worden sei. Dass es ein älteres Siechenhaus gab ist unstrittig, denn bereits im Jahre 1403 ist von „den armen Luten vor der Bruken, den Veltsiechen zu Nurtingen“ die Rede, die in dem „Veltsichen Hußlin ze Nurtingen“ wohnten. Laut Tietzen wurde es 1542 abgebrochen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die archäologische Begleitung der Baumaßnahmen rings um das bestehende Siechenhaus 2021 offenbar keinerlei Hinweise zum Standort des archivalisch genannten, spätmittelalterlichen Siechenhauses ergaben.
Die Diskrepanz der Dendrodaten der sekundär verbauten Sparren (Sommerfällung 1531 d) im bestehenden Siechenhaus zu dem archivalisch genannten Baudatum 1535 wirft aber auch noch eine ganz andere Frage auf, die sich auf den eigentlichen Bauherrn dieses keineswegs kleinen Bauprojekts bezieht. Zumal sich das Siechenhaus laut Tietzen in die „Trias anstaltlicher Sozialeinrichtungen“ einreiht. Denn die Stadt Nürtingen war eine der württembergischen Landstädte und barg mit ihrem Stadtschloss auch einen Sitz württembergischer Herzogswitwen. So stellt sich die Frage, ob es sich bei einem derartig aufwändigen Bau nicht um eine herrschaftliche Sozialstiftung gehandelt haben müsste.
Spätestens hier wird die Sache dann brisant, denn die beiden im Raum stehenden Baudaten liegen zwar dicht beieinander, herrschaftsgeschichtlich jedoch Welten dazwischen. Denn: Ist die Interpretation der Dendrodaten (Erbauung 1531/32) zutreffend, so fällt die Errichtung des Gebäudes gerade noch in die Spätphase der österreichischen Interimsherrschaft über das Herzogtum Württemberg während der Verbannung Herzog Ulrichs 1519-1534. Tatsächlich zeichnet sich in den zahlreichen Bauuntersuchungen der letzten Jahre mehr und mehr ab, dass sich Österreich keineswegs nur mit der Verwaltung des Herzogtums begnügte. Erzherzog Ferdinand war, seitdem ihm das Herzogtum unterstellt wurde, baulich ausgesprochen aktiv: von seinen baulichen Aktivitäten zeugen beispielsweise der 1528 (1527/28 d) errichtete Fruchtkasten von Schloß Leonberg, ebenso die unter dem Patronat Erzherzog Ferdinands um 1530 vorgenommenen Umbauten im Kloster Bebenhausen (Verwaltungsgebäude 1529 d, Gewölbe Laienrefektorium 1530 i) und nicht zuletzt der noch 1533 begonnene Bau des Südflügels von Schloß Hohentübingen. Unter diesem Gesichtspunkt könnte es sich bei der von Tietzen erwähnten „Trias anstaltlicher Sozialeinrichtungen“, bestehend aus Spital, Seelhaus und Siechenhaus tatsächlich um eine Investition des Hauses Habsburg gehandelt haben: 1526 - also ebenfalls zur Zeit der österreichischen Herrschaft - erhielt Nürtingen, auch sein Spital. Dagegen fiele das von Tietzen erwähnte Baudatum 1535 direkt in die Zeit nach der Rückkehr Herzog Ulrichs! Schon alleine aus diesem Grund sollte während den nun anstehenden Umbaumaßnahmen, bei denen die Überreste des historischen Siechenhauses sicherlich zu einem größeren Teil freigelegt werden, die Dokumentation der dabei aufgedeckten Befunde unbedingt fortgeschrieben werden. Vor allem aber sollte die dendrochronologische Untersuchung - wenn möglich - mit Eichenholzproben (!) ergänzt werden. Nur so kann die extrem spannende Frage nach dem exakten Baualter und dessen historische Konsequenzen letztlich beantwortet werden.


1. Bauphase:
(1700)
Erste Aufstockung um 1700 ??

In mehreren historischen Ansichten ist der Baukomplex dargestellt. Am frühesten in der Stadtansicht Nürtingen im Forstkartenwerk des Andreas Kieser um 1680/85. Sie gibt das Gebäude wenigstens grob im Ursprungszustand wieder. Etwas irritierend ist die Darstellung in einer Stadtansicht Nürtingens angeblich aus der ersten Hälfte des 18.Jh. (WLB, Schef. qp 5758), da hier das Gebäude bereits mit zwei Obergeschossen dargestellt ist. Die nun erfolgte restauratorisch-bauhistorische Untersuchung weist dagegen daraufhin, dass das 2.OG mitsamt Dachwerk erst 1862 so entstand. Es muss daher vorläufig offen bleiben, ob das Gebäude als um 1700 bereits aufgestockt wurde.

Zu dem eingangs genannten Hinweis aus einer Bildquelle, dass das Ursprungsgebäude bereits um 1700 (an den Traufseiten?!) aufgestockt worden sein könnte, fanden sich im Rahmen der vorliegenden Untersuchung an keiner Stelle des erhaltenen Gebäudes jedwelche Spuren. Es ist demnach auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die eingangs gezeigte Zeichnung schlichtweg nicht stimmt.
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Obergeschoss(e)
  • Dachgeschoss(e)

2. Bauphase:
(1861 - 1862)
Umbau des Siechenhauses zum Krankenhaus 1862 (1861/82 d / 1862 a)

Die restauratorische wie auch die gefügekundliche und dendrochronologische Untersuchung weisen darauf hin, dass das Dachwerk des Ursprungsgebäudes spätestens zu dieser Zeit abgetragen und nach "echter" Aufstockung (=> 2.OG) unter Wiederverwendung zahlreicher Althölzer neu abgebunden wurde. Wie die Umbaupläne von 1948 nahelegen wurde damals auch der nordöstliche Teil des bauzeitlichen Querflurs zu einem Treppenhaus mit zweiläufiger, gebälkparalleler Aufgangstreppe ausgebaut. Die einzelnen Zimmer erhielten spätetens jetzt Einzelstellöfen, deren Rauch durch geschlossene Schornsteine abgeleitet wurde. Die Schornsteine wurden beim nachfolgenden Umbau 1947-1950 zugunsten einer Zentralheizung wieder abgebrochen. Auf eine nähere Untersuchung der Bauteile dieses Umbaus wurde verzichtet. Jedoch wurde bei allen Wandöffnungen im 2.OG durch Julia Feldtkeller sowie bei verschiedenen weiteren Kontrollöffnungen im 1.DG ausschließlich Fachwerk angetroffen, dass dieser Zeitstellung oder den nachfolgenden Umbaumaßnahmen angehört. Das sich im 1.OG an der südwestlichen Traufseite verschiedentlich an der Innenseite abzeichnende Fachwerk könnte ebenfalls dem Umbau von 1862 angehören. Jedenfalls zeichnet sich das erkennbare Gefüge des zweifachverriegelten Fachwerks dadurch aus, dass es sich um keine ständerbezogene (fußzonige) Aussteifung mehr handelt, sondern die Aussteifung durch wandhohe Feldstreben erfolgte. Vor allem aber sind nun die Streben zwischen die Riegel gezapft und nicht mehr - wie zuvor üblich - miteinander verschränkt. Diese Art der Abzimmerung der Feldstreben setzt sich seit dem letzten Viertel des 18.Jh. mehr und mehr durch und dominiert fortan an die nun auch in der Regel nicht mehr auf Sicht, sondern auf Verputzung angelegten Fachwerkwände. Eben Letzteres ist auch spätestens für die Bauphase 1862 nachzuweisen.
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Obergeschoss(e)
  • Dachgeschoss(e)
  • Ausstattung

3. Bauphase:
(1947 - 1950)
Modernisierung 1947-1950 zum Kreiskrankenhaus

Erhebliche Eingriffe in das historische Gefüge brachte auch der der Umbau und Erweitererung des städtischen Krankenhauses zum Kreiskrankenhaus mit sich. Um die Kapazitäten an Krankenbetten aber auch den Komfort zu erhöhen wurde der Altbau mit neuen Zu- und Treppenaufgängen und einem Aufzug ausgestattet. Aus dieser Zeit stammt auch das bestehende, kanalartige Untergeschoss unter dem Mittellängsflur des EG. Es mündet an der Andockstelle des nordöstlichen Anbaus in einem Heizraum für den offenkundig ein älterer Keller im Norden der nordöstlichen Längszone ausgebrochen wurde. Im Erdgeschoss wurden vor allem Behandlungs- und Sanitärräume sowie Besprechnungszimmer für das Personal und ein Verwaltungsraum eingerichtet. Offenbar wurden in dieser Phase sämtliche Fenster ersetzt und im EG die zumindest teilweise bauzeitlichen Fensteröffnungen vergrößert. Dies gilt vor allem für die Fensteröffnungen an der Nordwestseite. In diesen Kontext gehört auch die Neukonzeption der Eingänge mit Rundbogenportalen. Während der Untersuchungen kam die Überlegung auf, ob nicht das spitzbogige Stabwerkportal an der Westseite der Siechenkapelle, das offenbar erst nach 1950 (bei der Renovation 1960 ?) hier eingebaut wurde, formal aber sicher älter datiert, als die 1609/10 von dem Nürtinger Steinmetz Veit Eberlin in nachgotischen Formen erbaute Kapelle.
Aus der Zeit des Umbaus ist noch immer der Großteil der Ausgestaltung des EG-Flurs R0.01 (Boden und Wände) mit Kalksteinplatten erhalten. Dasselbe gilt für das historisierende Wandtäfer des ehemaligen Besprechungsraums R0.07/R0.08 und des Dienstzimmers R0.09. Als Ausgleich für die im EG verlorengegangenen Zimmer wurde das 1.DG mit Krankenzimmern ausgebaut. Dafür wurden dem Dachwerk auch an beiden Dachflächen mehrere Schleppgaupen aufgesetzt.
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Ausstattung

4. Bauphase:
(1978 - 1979)
Umbau des Krankenhauses zur Psychatrie 1978/79

Die letzte große Umgestaltung des Siechenhauses betraf die Einrichtung der psychatrischen Abteilung des Kreiskrankenhauses, das 1975 in den Neubau auf dem Säer oberhalb Nürtingens verlegt worden war. Der Umbau betraf vor allem die Modernisierung der Türen und Fensteröffnungen sowie der technischen Einrichtungen, sowie die Zusammenlegung einzelner Räume. Neu ist das Treppenhaus, dassen Treppenläufe sich nun nicht mehr am Verlauf des Deckengebälks orientiert, sondern quer dazu verlaufen.
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Ausstattung

Besitzer:in

keine Angaben

Fotos

Abbildungsnachweis
Ehemaliges Siechenhaus in 72622 Nürtingen (06.2021 - strebewerk. Architekten GmbH)
Abbildungsnachweis
Ehemaliges Siechenhaus in 72622 Nürtingen (06.2021 - strebewerk. Architekten GmbH)

Zugeordnete Dokumentationen

  • Dendrochronologische Untersuchung
  • Bauhistorische Untersuchung
  • Restauratorische Untersuchung

Beschreibung

Umgebung, Lage:
Der Gebäudekomplex von Siechenhaus mit Kapelle und späterem Friedhof liegt ein paar hundert Meter nordwestlich der Nürtinger Altstadt auf der anderen Neckarseite.
Lagedetail:
  • Siedlung
    • Stadt
Bauwerkstyp:
  • Bauten für Wohlfahrt und Gesundheit
    • Krankenhaus
    • Leprosenhaus
Baukörper/Objektform (Kurzbeschreibung):
Das Siechenhaus von 1531/32 (1531 d): Die Konzeption des Holzgerüstes des Siechenhauses weist ganz klar darauf hin, dass das Ursprungsgebäude als zweigeschossiger Baukörper mit einem von Massivwänden umgebenen EG und einem hölzernen Traufgerüst als OG errichtet wurde. Das OG kragt noch immer an allen vier Seiten vor, was in den Ecken über Diagonalstichbalken erreicht wurde, die wiederum von seltsam unterschiedlich gestalteten Eckkonsolen unterstützt werden.
Innerer Aufbau/Grundriss/
Zonierung:
Unschwer ist bereits an den Giebelseiten im EG und OG die bauzeitliche Längsgliederung durch vier Längsbünde (LA A, B, C und D) in drei Längszonen erkennbar. Die inneren Längszonen im EG und 1.OG sind deutlich schmäler als die beiden Außenzonen, sodass hier von Anfang an (und auch heute noch) ein in voller Gebäudelänge durchgängiger Mittellängsflur vorhanden war.
Schwieriger zu beurteilen ist die Querteilung des Hauses. Hier sind es vor allem die Steinkonsolen an der südwestlichen Traufseite des EG, welche konkretere Anhaltspunkte boten: so sind hier außer den Außenwänden (QA 1 und QA 8) noch insgesamt sechs weitere Querbünde zu erkennen, sodass das Gebäude von 1531/32 offenbar 8 Querbünde (QA 1-8) aufwies.
Ob die Querbünde allesamt in voller Hausbreite durchliefen ist aufgrund der starken
Umbauten der NO-Traufseite und den Veränderungen an der nordöstlichen Flurwand heute kaum noch zu beurteilen. Zumindest bei QA 2 und 7 scheint dies offenkundig der Fall zu sein. Der Verlauf der übrigen Querbünde läßt sich anhand der Wandöffnungen (=> WÖ 1-4 und 8) zumindest von LA D bis zu LA C, also der südwestlichen Wandseite des Mittellängsflures nachweisen.
Aufgrund der erheblichen Überformung des EG bei den Umbauten um 1948 und 1976 ist kaum noch überprüfbar, ob sich die Verläufe der Querbünde im EG und 1.OG entsprochen haben. Bauliche Reste konnten hier nur an einer einzigen Wand, der Trennwand zwischen R0.05 und R0.06 beobachtet werden. Hier zeigt sich ein offenkundig bauzeitlicher Wandanschlußständer, der direkt gegen die massive Außenwand gesetzt wurde. Damit deutet sich für das massiv umfangene EG eine Binnenteilung durch Fachwerkwände an, die sich vermutlich größtenteils an dem Bundachsenverlauf im OG orientierten. Im 1.OG liegen erst durch die Erstellung des genaueren Aufmaßes nicht nur konkrete Hinweise zur Lage der Querbünde, sondern auch zu deren Bundseiten vor. Letztere ist für die Rekonstruktion der Raumnutzung von zentraler Bedeutung, da sich die Zimmerleute im 16. Jh. in aller Regel an regional üblichen Bautradition gehalten haben. Dazu gehören Baugewohnheiten, wie etwa bei Stuben, bei denen sich die Bundseiten im Normalfall allesamt an der vom Raum abgewandten „Außenseite“ vorfinden. Dagegen zeigen die Bundseiten der die Flurräume begrenzenden Bünde wegen dem repräsentativen Charakter der Erschließungszonen auch zum Flur hin. Die einzige Ausnahme bilden hier die Außenwände, bei denen die Bundseite bis auf seltene Ausnahmefälle immer auch an deren Außenseite anzutreffen ist.
Auffällig ist die unterschiedliche Breite der Querzonen, in welchen sich sicherlich die jeweilige Raumgliederung wiederspiegeln dürfte. Dabei fällt auf dass die südöstliche äußere Querzone (QA 1-2) mit Abstand die breiteste Querzone ist. Schon dies ist als klares Indiz für die Lage von zwei größeren Räumen zu werten. Dafür, dass es sich zumindest bei dem nordöstlichen der beiden Eckräume um eine Stube handelt, spricht ein kurzes Fußband (oder Fußblattstrebe), dass (die) mittels thermografischer Analyse an der Außenseite und schließlich auch durch eine gezielte Wandöffnung in R1.11 (=> WÖ 7) durch Julia Feldtkeller nachgewiesen werden konnte.

Das Fußband (oder die Blattstrebe) ist nachweislich am Kopfende an den Eckständer 1#A
angeblattet. Zur Bauzeit des Hauses 1531/32 ist ein derartiges kurzes Fußband ein sicheres Indiz für die Position einer Stube mit einer Fenstererkersituation und - zumindest unter den Fenstererkern - noch teilverbohlten Außenwänden. Eine Bohlennut konnte an der entsprechenden Stelle des Eckständers allerdings nicht nachgewiesen werden, was der Deutung des östlichen Eckraumes als Stube aber nicht zwingend widerspricht.
Durch die Wandöffnungen (=> WÖ 1-4) an der Südwestseite des Längsflurs im 1.OG und den freiliegenden Teilen am Nordende der Nordostseite konnten an den fraglichen Schnittpunkten von LA C bzw. LA A mit den prognostizierten Querbünden tatsächlich die entsprechenden Bundständer nachgewiesen werden. Sie bestehen allesamt aus Eichenholz und weisen jeweils einen kräftigen Holzquerschnitt auf. Die Wandöffnungen wurden bewusst auf Höhe der oberen Riegel angelegt, dass anhand der hier vorhandenen Holznagelsicherungen der Zapfverbindungen von Bundständer und Riegel eine zeitliche Zuordnung möglich ist. Anhand fehlender der Holznägel gaben sich auch entscheidende Hinweise zu mindestens einem Querflur erkennen. So finden sich an Bundständer C#3 und C#4 jeweils nur ein Holznagel, wodurch sich im Bereich der Querzone QA 3-4 zumindest nach Südwesten hin ein ehemaliger Querflur abzeichnet. Dazu passen die zuvor schon prognostizierten Bundseiten von QA 3 und 4, die jeweils an der Flurseite liegen. Und es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass sich laut Grundrißplan des 1.OG von 1948 im gegenüberliegenden, nordöstlichen Teil der Querzone die NO-SW gerichteten Aufgangstreppen befanden, auf die man vom Mittellängsflur aus gelangte. Weitere Hinweise zur ursprünglichen Raumnutzung finden sich an der im nördlichen Teil durch Abbruch des Anbaus von 1948/50 freigelegten, nordöstlichen Traufseite. Hier sind auch einige interessante Details zur Ausführung des Ursprungsgefüges zu beobachten. So zeigt sich hier, dass der ehemalige Oberstock auf einer bis zur Außenkante durchgeführten Dielung aufgeschlagen wurde. An Eckständer A#8 ist zudem ein Schwellriegelverband erkennbar. Während von den anzunehmenden, wandunterteilenden Riegel nichts zu erkennen ist, verläuft direkt unter dem aus Nadelholz gefertigten Rähmholz ein Riegel, an dem deutlich ein Wiedloch erkennbar ist. Da die Zapfverbindung des Riegels mit dem nur im Kopfbereich freiliegenden Bundständer A#7 nicht, wie bei Rähmriegel sonst üblich, mit einer Holznagelsicherung versehen wurde, könnte es sich hierbei um den Auflageriegel einer Bretterbalkendecke handeln. In diesem Falle würde es sich bei dem nördlichen Eckraum um eine kleine Stube gehandelt haben. Anders als bei der Stube in der Ostecke, zeigt sich hier aber keine Aussteifung durch eine Fußband, so dass hier möglicherweise kurze Fußstreben angelegt waren. Nach Osten hin folgt auf den Eckraum eine bemerkenswert schmale Zone, bei der es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen weiteren Querflur gehandelt haben dürfte. Für den nächsten, nach Osten hin folgenden Raum deuten sich ähnliche Befunde an, wie am nördlichen Eckraum.
Vorgefundener Zustand (z.B. Schäden, Vorzustand):
keine Angaben
Bestand/Ausstattung:
keine Angaben

Konstruktionen

Konstruktionsdetail:
  • Mischbau
    • Obergeschoss(e) aus Holz
  • Verwendete Materialien
    • Holz
    • Stein
  • Dachform
    • Satteldach
  • Steinbau Mauerwerk
    • allgemein
  • Holzgerüstbau
    • allgemein
Konstruktion/Material:
keine Angaben

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