Wasserschloss Geislingen
Datenbestand: Bauforschung und Restaurierung
Objektdaten
Straße: | Schloßplatz |
Hausnummer: | 5 |
Postleitzahl: | 72351 |
Stadt-Teilort: | Geislingen |
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Regierungsbezirk: | Tübingen |
Kreis: | Zollernalbkreis (Landkreis) |
Wohnplatzschlüssel: | 8417022005 |
Flurstücknummer: | keine |
Historischer Straßenname: | keiner |
Historische Gebäudenummer: | keine |
Lage des Wohnplatzes: |
Kartenansicht (OpenStreetMaps)
Wohnhaus, Lindenstraße 22 (72351 Geislingen)
Lagerhaus, Lindenstraße 24 (72351 Geislingen)
ehem. Fruchtkasten, Schlossstraße 4 (72351 Geislingen)
Zehntscheune (72351 Geislingen, Uhlandstraße 3)
Gasthaus Rössle, abgegangen, Vorstadtstraße 11 (72351 Geislingen)
Bauphasen
Das Schlossgebäude liegt zwar etwas abgelegen, aber dennoch räumlich dem Zentrum des Orts sehr nah. Diese Lage ist nicht untypisch für eine frühe Burganlage als Sitz lokalen Ortsadels. Seit dem Gebrauch von Pulverwaffen ab der Mitte des 14. Jahrhunderts wäre die Wahl für diesen Standort in einer, wenn auch flachen, Hangsituation ungewöhnlich, zumal die unweit südlich gelegene Hangkante verteidigungstechnisch deutlich günstiger gewesen wäre, was folglich für ein höheres Alter der Anlage spricht.
Die ermittelten Dendro-Daten reichen zurück bis ins frühe 16. Jahrhundert, als eine große Halle im Nordflügel geschaffen wurde, doch anhand von Stilformen am Chorbogen der Kapelle dürften Teile der Anlage noch ins 14. Jahrhundert zurückgehen. Möglicherweise steckt in den Außenmauern noch weiter zurückreichende Bausubstanz, die im gegenwärtig außen und innen verputzten Zustand nicht als solche zu erkennen ist. Doch haben sich mehreren Beobachtungen und Überlegungen wiederholt in der Annahme eines früheren Gebäudeteils getroffen, welches den westlichen Bereich des Hofraums eingenommen haben und unmittelbar an den Nordflügel gestoßen sein müsste.
Eine Reihe von Indizien und Überlegungen sprechen dafür, dass die einstige Ausdehnung der Burganlage der heutigen Größe in etwa entsprochen haben dürfte. Der Nordflügel besaß spätestens um 1510 seine heutige Länge, möglicherweise aber schon früher, wenn die Annahme eines älteren Gebäudeteils im Bereich des heutigen Hofraums sich bewahrheiten sollte. Setzt man eine gedrungene Grundform, einem Quadrat oder Kreis angenähert, für eine im freien Gelände angelegte Burg voraus, kann mit der Länge des Nordflügels auch etwa auf die Breitenausdehnung der Anlage geschlossen werden, die eben der heutigen entsprechen würde. Wäre der Neubau des Südflügels in den früheren Grabenbereich vorgeschoben worden, wäre dieser sicher nicht nur zu einem kleinen Teil unterkellert. Angesichts der allmählichen Wandlung des Burggrabens zu einem nur noch symbolisch aufzufassenden Zeichen für Herrschaft und Adelsprivilegien, hätte man bei einer Vergrößerung der Anlage in den Grabenbereich hinein den Aufwand wohl gescheut, einen neuen anzulegen, d.h. der Burggraben ist wohl nur deshalb beibehalten worden, weil er immer schon diesen Verlauf hatte. Dies dürfte vermutlich nicht nur für den Umbau um 1783 gelten, sondern bereits für die Zeit um 1510. In seiner Substanz ist der Graben jedoch sicherlich mehrfach erneuert und überformt worden.
Markiert der heutige Grabenverlauf tatsächlich die frühere Ausdehnung der Burganlage, wäre diese recht groß ausgefallen und hätte aus mehreren um einen Innenhof gruppierten Gebäuden bestanden. Möglicherweise wurde die Burganlage aber noch deutlich ausgedehnt, denn in der Oberamtsbeschreibung wird sie so beschrieben, dass die Stützmauern des Gartenparterres auf eine frühere Zwingermauer zurückgehen, die Eckpavillons sich auf Stümpfen früherer Rundtürme erheben und außen herum ein zweiter Graben verlaufen sei. Ob dies zutraf, oder ob das Gartenparterre eine freie Gestaltung des 18. Jahrhunderts darstellt und die Stützmauern einzig dem Ausgleich des Geländeniveaus dienten, konnte anhand der einsehbaren Substanz nicht nachgewiesen werden. Möglicherweise beruht die Annahme auf einer urkundlichen Angabe des Jahres 1464 (Angabe bei G. Schmitt; siehe Literatur), deren genauer Wortlaut aber nicht überprüft wurde.
Das Geislinger Schloss vollzog den allmählichen Wandel von der mittelalterlichen wehrhaften Burg zum repräsentativen neuzeitlichen Schloss. Schon das Hauptgebäude der Burganlage wird wohl an der Stelle des heutigen Nordflügels gestanden haben. Der Nordflügel wurde über die Zeit Stück für Stück vergrößert und aufgewertet, indem er früh die Kapelle aufnahm und hier um 1510 eine große Halle eingerichtet wurde. Mit ihren großen Fensteröffnungen wurde die Verteidigungsmöglichkeit zugunsten von Repräsentation und Wohnlichkeit bereits aufgegeben. Spätestens beim Aufsetzen eines neuen Dachwerks um 1642 hatten seine gemauerten Außenwände die heutige Traufhöhe erreicht. Um 1736 erfuhr er, mit einer Neugliederung im Inneren, einer regelmäßig angelegten Befensterung, eine harmonische Außenwirkung und helle Innenräume und eine weitgehende Neugestaltung. Der Nordflügel wurde Stück für Stück aufgewertet, während der Rest der Anlage wohl verkümmerte und schließlich abkömmlich wurde. Beim Neubauprojekt um 1783 war der Nordflügel immerhin noch bestimmend für Höhe und Ausdehnung sowie Format, Gestaltung und Verteilung der Fensteröffnungen, auch wenn er damals seine Funktion als Hauptgebäude an die neu erbauten Flügel abgeben musste. Trotz des Wandels zum repräsentativen Schlossbau wurde der Graben als überkommenes Wehrelement stets beibehalten, selbst noch beim klassizistischen Umbau um 1783.
Die 1783 geschaffene Gesamtanlage in Form eines U könnte zwar als für den Schlossbau des 18. Jahrhunderts typische Dreiflügelanlage bezeichnet werden, doch entgegen dem üblichen Gebrauch dieses Begriffs steht das Geislinger Schloss falsch herum. Eine typische Dreiflügelanlage wendet dem Ankommenden die offene Seite des U zu, sodass ein dreiseitig umfasster Vorhof als Entrée entsteht und im Zentrum des verbindenden Flügels die bedeutendste Funktion inszeniert werden konnte, meistens Eingang, Treppe und Festsaal. Beim Geislinger Schloss ist dem Ankommenden die geschlossene Seite in eher abweisender Wirkung entgegengekehrt, der beim Eintreten der offenen Rückseite wegen gewissermaßen ins Leere läuft. Haupteingang und Treppe mussten infolgedessen seitlich angeordnet werden.
Dass hier eine typisch barocke Dreiflügelanlage einfach in umgekehrter Ausrichtung ausgeführt worden ist, kann der gravierenden Folgen wegen, die dies im Sinne einer architektonischen Inszenierung mit sich brachte, ausgeschlossen werden. Vielmehr sollte für den Neubau offensichtlich das wehrhafte Erscheinungsbild der alten Burg als Symbol für Herrschaft und Adelsstand und damit zugleich eine deutliche Distanz zu Umgebung und Untertanen beibehalten werden. Der Bau in durchaus zeitgemäßen Formen ist deshalb von einem Graben umgeben, über den eine Brücke auf ein verschließbares Tor zuführt, das im Sinne eines antiken Triumphbogens architektonisch in Szene gesetzt wird. Sicherlich um einen geschlossenen, düsteren Binnenhof zu vermeiden, wurde die Rückseite offen gelassen.
Inwieweit neben der Übernahme des bestehenden Nordflügels weitere Strukturen der überkommenen Anlage in die Neubauplanung weitergetragen worden sind, ist angesichts der derzeit geringen Kenntnis der Baugeschichte des Schlosses schwerlich zu beurteilen. Doch kann ein weiterer Baukörper im westlichen Bereich des Innenhofs gemutmaßt werden, sodass die Anlage vorher nach Westen nicht geöffnet war. Stattdessen stand der Nordflügel an seiner Ostseite nachgewiesenermaßen weitgehend frei. Auch die frühere Lage des Zugangstors ist nicht bekannt und aus der umgebenden Siedlungsstruktur nicht gesichert nachvollziehbar, denn es muss nicht immer schon an der Ostseite gelegen haben. Und schließlich wurden auch die Haupträume vom älteren Nordflügel in den Neubau verschoben. Allein diese Indizien sprechen aber dafür, dass für den Neubau eine vom Altbestand losgelöste Überplanung der Anlage vorgenommen worden ist, die Form des nach vorne geschlossenen und hinten offenen U bewusst gewählt worden ist.
(1350 - 1450)
(1510)
(1550 - 1599)
(1641 - 1642)
- Dachgeschoss(e)
(1735 - 1736)
(1782 - 1784)
(1927)
Zugeordnete Dokumentationen
- Bauhistorische Kurzanalyse und dendrochronologische Datierung
Beschreibung
- Siedlung
- Stadt
- Residenz- und Hofhaltungsbauten
- Schloss
Zonierung:
Konstruktionen
- Dachform
- Mansarddach/-helm
- Mischbau
- Außenwand aus Stein
- Innenwand aus Holz