Haalstraße 5/7 (Schwäbisch Hall)

Datenbank Bauforschung/Restaurierung

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Rathaus

ID: 205655339512  /  Datum: 26.04.2023
Datenbestand: Bauforschung
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Objektdaten

Straße: Kehlhof
Hausnummer: 1
Postleitzahl: 78652
Stadt-Teilort: Deißlingen

Regierungsbezirk: Freiburg
Kreis: Rottweil (Landkreis)
Wohnplatzschlüssel: 8325072001
Flurstücknummer: keine
Historischer Straßenname: keiner
Historische Gebäudenummer: keine
Lage des Wohnplatzes: Lage des Wohnplatzes

Kartenansicht (OpenStreetMaps)

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Objektbeziehungen

keine

Umbauzuordnung

keine

Weitere Objekte an diesem Wohnplatz

Rathaus, Kehlhof 1 (78652 Deißlingen)

Bauphasen

Kurzbeschreibung der Bau-/Objektgeschichte bzw. Baugestaltungs- und Restaurierungsphasen:

Das Gebäude bildete einst als Kelhof bzw. Schlossbau das Zentrum eines Guts, das als Lehen durch die Abtei Reichenau bzw. seit dem mittleren 15. Jahrhundert durch das Bistum Konstanz vergeben wurde, zumeist an führende Rottweiler Familien. Durch Abgleich mit der Besitzerfolge müsste der westliche Dachabschnitt von 1613 unter Johann Ulrich Möck von Balgheim errichtet worden sein. Es wird jedoch davon berichtet, dass das Schlossgebäude im Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs vollständig verbrannt und der zur Kirche gerichtete Westgiebel eingefallen sei. Diese Überlieferung lässt sich mit dem ermittelten Dendro-Datum nach aktuellem Kenntnisstand nicht vereinbaren, zumal auch keinerlei Brandspuren aufgespürt werden konnten.
Seit 1690 war Baron Tobias Ernst von und zu der Schleuß Besitzer des Kelhofs, der folglich als Erbauer der östlichen Erweiterung gelten darf. Unter seiner Herrschaft kam es zu Unruhen wegen 1695 eingeführter schwerer Frondiente, was wohl nicht zufällig mit der dendrochronologisch ermittelten Bauzeit für das Dachwerk der Erweiterung zusammenfallen dürfte und vermuten lässt, dass die Untertanen zum Bau herangezogen worden waren. 1792 ging das Gebäude schließlich an die Gemeinde über und wurde zunächst als Rat- und Schulhaus genutzt. Heute nimmt die Rathausnutzung das gesamte Gebäude ein.


1. Bauphase:
(1613)
Errichtung des westlichen Gebäudeteils (Dachwerk, 1612/13 (d)).
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Erdgeschoss
  • Obergeschoss(e)
  • Dachgeschoss(e)
Lagedetail:
  • Siedlung
    • Dorf
    • Grangie
Bauwerkstyp:
  • Residenz- und Hofhaltungsbauten
    • Schloss

2. Bauphase:
(1695)
Erweiterung nach Osten (Dachwerk, 1694/95 (d)).
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Erdgeschoss
  • Obergeschoss(e)
  • Dachgeschoss(e)
Lagedetail:
  • Siedlung
    • Dorf

3. Bauphase:
(1792)
Übergang an die Gemeinde als Rat- und Schulhaus, später nur noch Rathaus, damit verbunden womöglich Veränderungen in Erd- und Obergeschoss.
Womöglich gleichzeitig oder erst um 1893 Einbau des Hängesprengwerkes im Dach, um ein Stützgerüst im Obergeschoss entfernen zu können.
Betroffene Gebäudeteile:
Betroffene Gebäudeteile
  • Erdgeschoss
  • Obergeschoss(e)
Lagedetail:
  • Siedlung
    • Dorf
Bauwerkstyp:
  • Anlagen für Bildung, Kunst und Wissenschaft
    • Schule, Kindergarten
  • Öffentliche Bauten/ herrschaftliche Einrichtungen
    • Rathaus

Besitzer:in

keine Angaben

Fotos

Abbildungsnachweis
Ansicht von Osten. / Rathaus in 78652 Deißlingen (09.2022 - S. King)

Zugeordnete Dokumentationen

  • Bauhistorische Analyse

Beschreibung

Umgebung, Lage:
Das Rathaus in Deißlingen hat seinen Platz im Zentrum des Ortes, gleich östlich der Kirche und steht in etwas erhöhter Lage neben der Hauptdurchgangsstraße, der es die südliche Längsseite zuwendet. Die nördliche Längsseite liegt an einem geräumigen Hofraum, der aktuell als Parkplatz genutzt wird, wo auch die Zugangstüren liegen.
Lagedetail:
  • Siedlung
    • Dorf
Bauwerkstyp:
  • Residenz- und Hofhaltungsbauten
    • Schloss
Baukörper/Objektform (Kurzbeschreibung):
Das auffallend langgezogene Gebäude umfasst zwei Vollgeschosse und darüber ein Satteldach mit Steilgiebeln, das von einem schlanken Dachreiter bekrönt wird. Ein besonders auffälliges Merkmal des Gebäudes ist eine ungewöhnliche, der nördlichen Längsseite vorgeblendete Aufreihung von Mauervorlagen, zwischen denen sich unterhalb der Traufe Korb- und Stichbögen spannen.
Innerer Aufbau/Grundriss/
Zonierung:
Das liegende Stuhlgerüst setzt sich aus fünf Querbundachsen zusammen, die den Dachraum in vier innere Querzonen und weitere Querzonen zu den Abschlusswänden gliedern. Die Mehrzahl der Gespärre hat ihre Bundseite nach Westen gerichtet, mit Ausnahme der beiden östlichen Bindergespärre und einem Zwischengespärre unmittelbar westlich davon. Doch bei letzterem ist dies nicht ganz eindeutig, denn ein Abbundzeichen findet sich auch an seiner Westseite. Es ist unklar geblieben, ob die Gliederung mit derjenigen des Obergeschosses in Zusammenhang steht oder ob die Gliederung des Dachwerk weitgehend unabhängig davon erfolgt war.
Vorgefundener Zustand (z.B. Schäden, Vorzustand):
Aktuell finden sich im Dachraum zwei Kamine, doch gibt es noch Reste und Spuren abgängiger Kaminanlagen, vor allem innerhalb der Kehlbalkenlagen und der Dielung des 2. Dachgeschosses. Im Boden des 1. Dachgeschosses ist nur eine Kaminstelle im Vorbereich der Arrestzelle ablesbar.

Diverse Schadstellen finden sich im Dach, wohl größtenteils wo Dachaufbauten (z. B. Treppenturm) entfernt wurden.

Die mittige Fensteröffnung am Ostgiebel im 1. Dachgeschoss wurde nachträglich zu einer Ladeöffnung umgebaut und später wieder zu einem Fenster reduziert.

Innerhalb der östlichen Erweiterung trifft man im 2. Dachgeschoss auf die flach geneigten Streben eines Hängesprengwerks, das in der zweiten Querbundachse von Osten eingebaut ist. Ziel des konstruktiven Eingriffs war die Abfangung des Dachgebälks, um ein Stützgerüst im Obergeschoss entfernen und dort einen Saal unterzubringen. Beim Blick auf die Geschichte des Gebäudes läge die Einrichtung eines Schul- oder eines Ratssaals nahe.

Einbau einer Arrestzelle vor der westlichen Giebelwand im 1. Dachgeschoss.
Bestand/Ausstattung:
keine Angaben

Konstruktionen

Konstruktionsdetail:
  • Dachgerüst Grundsystem
    • Sparrendach, l. geb. allgemein
  • Dachform
    • Dachreiter
    • Satteldach
Konstruktion/Material:
Das Dachwerk setzt sich aus zwei Abschnitten zusammen, wovon einer die westlichen Zweidrittel und der andere das östliche Drittel einnimmt. Es handelt sich zwar beide Male um liegende Stuhlkonstruktionen, doch mit deutlichen Unterschieden im konstruktiven Aufbau. Sie gehen auf zwei Bauphasen zurück, die nicht auf den Dachbereich beschränkt sind, sondern für das gesamte Gebäude repräsentativ sind. Anfangs umfasste das Schlossgebäude nur die Länge der westlichen beiden Drittel und wurde später nach Osten erweitert. Die starke Quermauer, die heute die westliche Begrenzung des Treppenhauses bildet, war einstmals freistehende Giebelwand (freigelegtes früheres Außenfenster mit gekehltem Gewände).

Kerndach, 1612/13 (d)
Das Kerndach, das sich über die westlichen zwei Drittel der heutigen Gebäudelänge erstreckt, ist als Sparrendach mit einer liegenden Stuhlkonstruktion in zwei Ebenen und im 1. Dachgeschoss zusätzlich mit einer stehenden Mittellängsachse aufgebaut. Es ist vollständig aus Nadelholz hergestellt. Die Sprengstreben gründen auf Stuhlschwellen, die Stuhlrähme sind orthogonal ausgerichtet. Die Queraussteifung erfolgt mittels Kopfstreben und Druckriegel. Der Längsaussteifung dienen lange Fußstreben, die von den Stuhlschwellen zu den Sprengstreben aufsteigen und dort ohne Verzapfung nur in einen Versatz greifen. Eine Verriegelung in der Längsrichtung gibt es nicht. Der liegende Stuhl des 2. Dachgeschosses entspricht in seinen Merkmalen dem des 1. Dachgeschosses.
Die Kehlbalken beider Dachebenen sind den Sparren aufgeblattet, was für die Zeitstellung im frühen 17. Jahrhundert etwas archaisch anmutet. Ganz ungewöhnlich ist die Ausbildung des Firstpunkts mit einem Firstholz, in das die Sparren einzapfen und es tragen.
In der mittig stehenden Achse des 1. Dachgeschosses tragen Ständer mit Kopfstreben in jede Richtung ein Mittellängsrähm, das unterhalb der Kehlbalkenlage verläuft und in das die Druckriegel von beiden Seiten einzapfen.
Die Ständer der Mittellängsachse stehen in der westlichen Hälfte auf einer Längsschwelle, gründen in der östlichen Hälfte aber auf dem Dachgebälk und tragen dort an allen vier Kanten Fasen, die unten in Eckspornen auslaufen und nach oben bis zum Ständerkopf reichen.
Nach Westen schließt der Dachraum heute mit einem Massivgiebel ab, während die östliche Abschlusswand der späteren Erweiterung zum Opfer gefallen ist. Ursprünglich waren die Giebelwände nach beiden Seiten aus Fachwerk beschaffen. Auf der Ostseite kragte das Giebeldreieck aus Fachwerk ursprünglich vor.
Sowohl im Westen wie im Osten sind die Sparren der ersten beiden vorhandenen Gespärre – unter Einbeziehung des Giebelfachwerks also das zweite und dritte Gespärre – in ganzer Höhe bzw. ab der unteren Kehlbalkenlage nicht ursprünglich, und das Firstholz endet an beiden Enden im Abstand von 2 und 2,5 m vor der ersten innenliegenden Binderquerachse. Diese Beobachtungen geben Anlass zur Vermutung, dass an beiden Giebelseiten Halbwalme ausgebildet waren.

Innerhalb der Abbunzeichensystematik sind Gespärre und Querbinderachsen getrennt und jeweils mit einer additiven römischen Ziffernfolge gezählt. Die Zählfolgen beginnen an der Westseite mit Bezugsachsenschnittpunkt an der Südwestecke. Die Gespärre sind von II bis XXVI durchgezählt. Die Querbundachsen tragen die Ziffern I bis V, die im 2. Dachgeschoss um einen angeschlossenen Querstrich erweitert sind, der eigentümliche Zeichenformen entstehen ließ.

An den teilweise einsehbaren Enden der Dachbalkenlage können Beobachtungen gemacht werden, die Rückschlüsse auf den früheren Zustand des Obergeschosses erlauben. Hier enden die seitlich eingelassenen Nuten, in die ein Fehlboden eingeschoben ist. An der Unterseite der Balken sind Fasen mit gekehlten Ausläufen zu finden, wonach das Dachgebälk als Bestandteil der Deckengestaltung des Obergeschosses sichtbar war. Leere Verkämmungssitze für ein Auflagerholz lassen auf das Wandrähm einer Fachwerkwand schließen. Diese verlief auf der Nordseite bündig mit der heutigen Außenflucht. An der Südseite liegt der leere Verkämmungssitz hinter die Innenkante der Stuhlschwelle zurückversetzt, demzufolge saß das Dach asymmetrisch auf dem Unterbau, leicht nach Norden verschoben. Die Vorkragung des Dachgebälks diente womöglich einem Laubengang.

Die innenliegende Querzone östlich der Mitte ist deutlich breiter als die übrigen. Im Kellergeschoss ist an gleicher Stelle und in annähernd gleicher Breite von 4,5 m eine zum Inneren gerichtete, halbkreisförmige Rundung anzutreffen, deren Mittelpunkt sich ungefähr im Bereich der Außenflucht der Hofmauer lokalisieren lässt. Weitere Baubefunde legen nahe, dass sich hier ein Treppenturm mit Wendeltreppe bis ins 1. Dachgeschoss befunden hat.

Auch an der südlichen Traufseite gibt es im mittleren Bereich des 1. Dachgeschosses eine ausgedehnte Fehlstelle, wo ein neuer liegender Stuhl eingebaut worden ist und allein noch das Stuhlrähm verblieben ist, das mit parallel unterhalb laufenden Unterzügen unterfangen wurde. Womöglich befand sich hier eine Ladeluke.

Vom 1. ins 2. und von dort ins 3. Dachgeschoss führen wohl bauzeitliche Blocktreppen.

Dach der Erweiterung, 1694/95 (d)
Die Erweiterung macht das östliche Drittel der Grundfläche aus. Es handelt sich um ein Sparrendach mit liegendem Stuhl in zwei Ebenen aus Nadelholz. Einige Merkmale entsprechen dem Kerndach: die Anlage von Stuhlschwellen, orthogonal ausgerichtete Stuhlrähme und die an beiden Enden mit Versatz eingezapften Kopfstreben der Queraussteifung. Die Längsaussteifung hingegen besteht in beiden Geschossebenen aus Feldstreben und einer zweifachen Verriegelung. Kehlbalken und Sparren sind miteinander verzapft und die Sparren sind oben ohne Firstholz miteinander verbunden. Die Ständer der nicht mehr existenten Mittellängsachse reichten nur bis an die Druckriegel, und diese wurden zugunsten eines durchlaufenden Mittellängsunterzugs mit Abstand zum Kehlbalken eingebunden. Die Ständer der Mittellängsachse der mittleren der vier Querbundachsen haben Kopfstreben in alle vier Richtungen.
Der liegende Stuhl des 2. Dachgeschosses ist in gleicher Form, nur ohne Mittellängsunterzug aufgebaut. Der Druckriegel liegt hier bündig unter dem Kehlbalken.
Der Bezugsachsenschnittpunkt als Beginn der Abbundzeichenfolgen liegt an der Südostecke. Die Systematik setzt sich zeittypisch aus additiven römischen Ziffern mit Zusatzzeichen in Form von angehängten Dreieckskerben für die Querbundachsen, angehängten Schrägstrichen für die Längsachsen zusammen. Die Gespärre wurden durchgezählt, wobei die Zeichen innerhalb von Bindergespärren mit einer entsprechenden Zahl an Dreieckskerben versehen worden sind. Die Hölzer des Stuhls im 2. Dachgeschoss sind mit einem Stockwerkszeichen in Form einer länglichen Kerbe markiert.
Die Ostgiebelwand des Kernbaus wurde im Zuge der Verlängerung entfernt. Zur Stützung wurde eine zusätzliche Querbundachse innerhalb des 1. Dachgeschosses des Kerndachs vorgesehen. Als östlicher Abschluss des erweiterten Dachraums schuf man eine gemauerte Giebelwand. Wohl gleichzeitig wurde westlich ein Steilgiebel eingebaut, der den vormaligen Fachwerkgiebel mit Walm ersetzt hat.

Alle Fensternischen sind stichbogig gewölbt. Die Fensternische des 2. Dachgeschosses wird auf Höhe der Fensterbank von einem Eisenanker mit einer Stärke von 4,5 cm im Quadrat durchlaufen.

Der Ersatz des westlichen Fachwerkgiebels setzt auch den Ersatz des Fachwerks im Obergeschoss – auch der Traufwände - voraus. Dabei wurde sicherlich der Treppenturmaufgang aufgegeben und durch ein Treppenhaus innerhalb der Erweiterung anstelle des heutigen Treppenhauses ersetzt.

Anders als beim Kernbau tragen die Dachbalken der Erweiterung keine Fasen an der Unterseite, was den Schluss erlaubt, dass die Räume Putzdecken erhalten haben und vermutlich auch der Kernbau in dieser Weise neu ausgestattet wurde.

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