Gebäudekomplex mit Gastwirtschaft
Datenbestand: Bauforschung und Restaurierung
Objektdaten
Straße: | Stuttgarter Straße |
Hausnummer: | 34/36 |
Postleitzahl: | 71263 |
Stadt-Teilort: | Weil der Stadt |
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Regierungsbezirk: | Stuttgart |
Kreis: | Böblingen (Landkreis) |
Wohnplatzschlüssel: | 8115050021 |
Flurstücknummer: | keine |
Historischer Straßenname: | keiner |
Historische Gebäudenummer: | keine |
Lage des Wohnplatzes: | |
Geo-Koordinaten: | 48,7499° nördliche Breite, 8,8738° östliche Länge |
Kartenansicht (OpenStreetMaps)
Fachwerkhaus, Stuttgarter Straße 54/56 (71263 Weil der Stadt)
Bauphasen
Da am besten einsehbar, erschließt sich die Baugeschichte anhand der Anordnung der Dachwerke am deutlichsten. Die beiden Vorderhäuser sind jeweils hälftig aus zwei zu unterschiedlicher Zeit entstandenen Dachwerken zusammengesetzt, an die beim westlichen ein Anbau anschließt und die Hinterhäuser sind wiederum separat entstanden. Hiernach und nach den Hausnummern richten sich die im Folgenden gebrauchten Bezeichnungen: 34-West, 34-Ost, 34-Annex und 34-Süd, 36-West, 36-Ost und 36-Süd.
Von diesen sieben Baukörpern wurden bei den vier Abschnitten der Vorderhäuser sowie 36-Süd dendrochronologische Datierungen durchgeführt. Bei 34-Süd wurde darauf verzichtet, da von seiner Substanz nur wenig übrig geblieben ist und umfangreichere Freilegungen notwendig gewesen wären. Letzteres traf auch für 34-Annex zu. Alle datierten Baukörper sind in einem Zeitraum von etwa sechs Jahrzehnten ab 1749 entstanden. Für die meisten beprobten Bauteile wurde Tannenholz verwendet.
Die Ergebnisse in chronologischer Reihenfolge:
34-Ost: 1748/1749
36-West: 1767/1768
34-West: 1786/1787
36-Ost: 1791/1792
36-Süd: 1811/1812, Datierung unsicher
Im Sturz der Haustür von 36-Ost steht die Jahreszahl 1792 zu lesen, die mit dem Dendro-Datum des zugehörigen Dachwerks übereinstimmt. Es konnten keine Strukturen in den Gebäuden erkannt werden, die zeitlich vor das 18. Jahrhundert einzustufen sind, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die Bebauung des Areals erst im 18. Jahrhundert von Grund auf erfolgt ist. Ein Zusammenhang mit dem verheerenden Stadtbrand zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs 1648 scheint wenig wahrscheinlich, da bis zur Wiederbebauung genau ein Jahrhundert vergangen wäre.
(1600 - 1799)
(1748 - 1749)
- Erdgeschoss
- Obergeschoss(e)
- Dachgeschoss(e)
(1749 - 1831)
- Anbau
(1767 - 1768)
Wie schon Haus Nr. 34 erscheint auch die Nr. 36 äußerlich einheitlich, erweist sich im Dach aber ebenfalls als aus zwei Baukörpern zusammengesetzt. Davon bildet die westliche Hälfte den Kernbau, der um 1768 errichtet wurde.
(1786 - 1787)
(1791 - 1795)
An den Kernbau wurde um 1792 eine Erweiterung angefügt, die die Grundfläche nach Osten auf doppelte Länge brachte und eine um die Hälfte größere Tiefe besitzt, sodass zusammen mit dem Kernbau eine L-förmige Grundfläche entstand.
(1811 - 1812)
Vom Hinterhaus 36-Süd wurden ebenfalls Holzproben zur Datierung entnommen, die aber nur ein unsicheres Datum um 1812 erbrachten, doch würde sich dieses Datum gut in die Bauabfolge einfügen, denn das Hinterhaus wurde an 36-Ost angebaut und sein Dachwerk besitzt fast dieselbe Konstruktionsweise.
(1923)
Baueingabepläne zur Einrichtung eines Saales 1923 (a):
Für die kleinere Saallösung wurden die Innenwände herausgenommen und durch wenige Stützen mit Sattelhölzern ersetzt. Die Decke wurde mit Stuck aus breiten Vouten entlang der Umfassungswände und Unterzüge und parallel dazu geführten erhabenen Bändern verziert. Zugänge zum Saal verliefen über die Innentreppe in 36-Ost, die dafür aber ein Stück nach Süden verschoben wurde, sowie eine schmale Treppe, die aus dem Nebenzimmer der Gaststätte in 34-Annex heraufführte, deren Durchgang heute als Zugang zu den Toiletten dient. Zur Erschließung des 2. Obergeschosses schuf man ein neues Treppenhaus im südöstlichen Eckbereich von 36-Ost. Bescheidene Toiletten wurden im rückwärtigen Bereich von 36-West vorgesehen und zwar im Erdgeschoss zur Gaststätte und im Obergeschoss zum Saal gehörig, erreichbar über die offene Veranda. Im Rahmen der Schaffung des Saals wurde auch die Deckenlage zwischen Erd- und Obergeschoss ein Stück tiefer gelegt, mit der Folge einer recht niedrigen Deckenhöhe im erdgeschossigen Flur und kaum mehr nutzbaren Räumlichkeiten anstelle der kleinen Wohneinheit östlich davon, weshalb diese gezwungenermaßen aufgegeben wurde.
(1955)
1955 wurde der Saal aufgegeben und Wände für zwei Wohnungen eingezogen.
Zugeordnete Dokumentationen
- Bauhistorische Dokumentation und dendrochronologische Datierung
Beschreibung
- Siedlung
- Stadt
- Wohnbauten
- Wohnhaus
- Anlagen für Handel und Wirtschaft
- Gasthof, -haus
Beide Vorderhäuser und das östliche Hinterhaus umfassen drei Vollgeschosse, wogegen das westliche Hinterhaus und auch das rückwärtig freistehende Gebäude nur zwei Vollgeschosse umfassen. Ein eigenständiges Untergeschoss besteht nicht, sondern es gibt nur einen einzigen kleinen Kellerraum, der unterhalb des Erdgeschosses liegt, während zwei weitere Kellerräume nur ein Stück eingetieft sind und einen Teil des Erdgeschosses bilden.
Zonierung:
Konstruktionen
- Mischbau
- Obergeschoss(e) aus Holz
- Unterbau aus Stein (gestelzt)
- Dachgerüst Grundsystem
- Sparrendach, q. geb. mit liegendem Stuhl
- Dachform
- Pultdach
- Satteldach
- Verwendete Materialien
- Backstein
- Dachgerüst, verstärkende Einbauten
- Stehende und geneigte Quer- und Längsbünde
- Steinbau Mauerwerk
- Quader
Davon wurden fünf Dachwerkabschnitte mit Hilfe dendrochronologischer Altersbestimmung datiert und weisen eine Entstehung innerhalb weniger Jahrzehnte nach, an dessen Anfang 1749 der Kernbau des Vorderhauses Nr. 34 steht (34-Ost). Das jüngste Datum lieferte das Hinterhaus von Nr. 36 (36-Süd), das gesichert nach 1792 und nach nicht abgesichertem Dendro-Datum um 1812 entstanden ist. Die Errichtung des Hinterhauses von Nr. 34 (34-Süd) lag irgendwann vor 1787. Erweiterung (34-Annex) und Hintergebäude von Nr. 34 sind auf der 1831 erstellten Urkarte bereits dargestellt. Die in kurzer Zeitfolge entstandenen Dachwerke sind alle mit liegendem Stuhl abgezimmert, zeigen dabei aber eine große Variationsbreite bezüglich der Lösung ihrer Längsaussteifung.
Die Baukörper, wie sie sich im Dach darstellen, lassen sich bis ins Erdgeschoss nachverfolgen, sodass Baukörper zu Baukörper sich gesellte und sich keine älteren Strukturen erfassen ließen, sodass zu vermuten ist, dass die bestehenden Gebäude die Erstbebauung an dieser Stelle darstellen.
Der Baukomplex liegt an der Nahtstelle zwischen der Ummauerung der Kernstadt und der Renninger Vorstadt und somit im einstigen vorgelagerten Grabenbereich der Kernstadt, der möglicherweise noch für einen längeren Zeitraum als Teil der Stadtbefestigung bzw. als Restfläche bestehen blieb. Dies könnte der Grund für die späte Bebauung gewesen sein.
Ein früherer Wasserlauf prägte die Struktur des Baukomplexes. Er floss entlang der Rückseite der Vorderhäuser und das Hinterhaus von Nr. 34 (34-Süd) überbrückte ihn offenbar mit einer offenen Querzone.
Die heutige Außenerscheinung der Straßenfront der beiden Häuser täuscht über deren Baugeschichte hinweg. Nicht nur dass sie jeweils aus einem Kernbau und einer späteren Erweiterung entstanden sind, sondern sie haben zeitweise eng zusammengehört, nachdem im Jahr 1923 das Gasthaus ‚Linde‘ im Erdgeschoss von Nr. 34 um einen Saal im 1. Obergeschoss von Nr. 36 erweitert wurde. Damit verbunden war zwar die Absenkung der Deckenlage zwischen Erd- und Obergeschoss und die Reduktion von vormals acht auf nun vier große Fensteröffnungen, doch wurde damals sicherlich eine einheitliche Gestaltung der gesamten Straßenfassade geschaffen. Sie wurde später durch Freilegung des Fachwerks am Giebel und Aufdoppelung eines Fachwerkbildes an der Traufseite an Haus Nr. 34 aufgelöst, sodass die beiden Häuser seither als funktional getrennte Gebäude in Erscheinung treten.
Zwar ist die Raumstruktur in beiden Obergeschossen von Nr. 34 und im 2. Obergeschoss von Nr. 36 aus der Zeit des späten 18. Jahrhunderts noch nachvollziehbar, doch hat sich von der damaligen Ausstattung nur sehr wenig erhalten, beschränkt auf Reste einfacher Stuckrandleisten, hohe Sockelbretter und Brüstungstäfer in wenigen Räumen, ein Türblatt mit Beschlägen, sowie vermutlich das alte Türblatt der Haustür in Wiederverwendung.