Winzerstube Drei Könige
Datenbestand: Bauforschung und Restaurierung
Objektdaten
Straße: | Pestalozzistraße |
Hausnummer: | 2 |
Postleitzahl: | 88677 |
Stadt-Teilort: | Markdorf |
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Regierungsbezirk: | Tübingen |
Kreis: | Bodenseekreis (Landkreis) |
Wohnplatzschlüssel: | 8435034022 |
Flurstücknummer: | keine |
Historischer Straßenname: | keiner |
Historische Gebäudenummer: | keine |
Lage des Wohnplatzes: |
Kartenansicht (OpenStreetMaps)
Wohn- und Wirtschaftsgebäude, Talstraße 9 (88677 Markdorf)
Bauphasen
Bauphase 1549-1550:
Aus dieser frühesten Bauphase (d) hat sich vor allem das Dachgefüge erhalten, ferner die Balkenlage zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss, die Umfassungswände des Unterbaus wie wohl auch Teile der dortigen Deckenbalkenlage. Fachwerkwände im Mittelbau haben sich nur in ganz geringem Umfang an der Südwand des Oberstocks erhalten. Trotz der wenigen erhaltenen Bausubstanz lassen sich aus den Befunden aber Hinweise auf die ursprüngliche Grundrissgliederung ablesen. So ist für das Obergeschoss ein Grundriss mit zwei Längs- und zwei Querzonen ablesbar. Die südliche Querzone war in einen größeren westlichen und einen kleineren östlichen Raum unterteilt, wobei der östliche Raum wohl als Kammer anzusprechen ist. Der südwestliche Raum hatte in seiner Nordostecke einen Kamin. Zudem ist an diesen Raum an der Südseite noch 1842 ein Abort angebaut. Es deutet einiges darauf hin, dass in diesem Raum auch die Treppenerschließung aus dem EG erfolgte. Es hat sich demnach also um einen Flur oder eine Flurküche gehandelt. In der nördlichen Querzone befand sich in der östlichen Hälfte eine Stube, die von der Flurküche (oder einem begehbaren Kamin?) aus beheizt wurde. In der westlichen schmaleren Hälfte befand sich eine weitere Kammer.
Das Obergeschoss kragte gegenüber dem Erdgeschoss am Nordgiebel mindestens 20 cm aus, ebenso das 1. DG gegenüber dem Obergeschoss. Ob auch das 2. DG auskragte ist nicht bekannt, zumindest gab es keine Stichbalken über dem 1. DG.
Das Erdgeschoss war vermutlich in drei Längszonen und zwei Querzonen gegliedert. Eine schmale westliche Längszone nahm ein seitlicher Längsflur ein. Von diesem Flur aus war in der südlichen mittleren Längszone eine Küche erschlossen. Zudem muss es von diesem Flur aus einen Abgang in den südlichen Keller gegeben haben, wobei allerdings auch eine Falltüre in der Küche als Kellerabgang denkbar wäre. In der nördlichen Querzone schloss an den Flur ein großer Raum an. Dies könnte bereits bauzeitlich eine Gaststube gewesen sein. Möglicherweise besaß sie bauzeitlich noch eine Balken-Bretter-Decke. Jedenfalls sind die Deckenbalken seitlich genutet, was aber auch auf einen Fehlboden aus Einschubbrettern deuten könnte. Die heutige Täferdecke in der Gaststube ist jedenfalls für 1549/50 (d) schon denkbar, wäre aber ein früher Vertreter ihrer Art. In der Südostecke befand sich wohl noch ein weiterer Raum, bei dem es sich vermutlich um eine Nebenstube gehandelt hat.
Im Untergeschoss befanden sich in der nördlichen und in der südlichen Querzone jeweils ein Balkenkeller. Der nördliche Keller hatte an der Ostseite einen schmalen Zugang von außen, während der südliche Keller einen Zugang im Westen vom südwestlichen EG-Raum aus hatte. Eine Verbindung zwischen den beiden Kellern ist nicht nachgewiesen.
Bauphase um 1816:
Eine tiefgreifende Umbaumaßnahme erfolgte um 1816. Dabei wurden nicht nur die Nord- und die Ostfassade nahezu vollständig erneuert, im Obergeschoss wurde auch der Grundriss weitgehend verändert. Die Erneuerung der Fassaden erfolgte in drei Abschnitten, die zeitlich eindeutig voneinander getrennt sind, und die sich auch durch konstruktive Details geringfügig unterscheiden. Der mittlere Abschnitt ist dabei die Erneuerung der Nordfassade, die dendrochronologisch auf 1815/16 (d) datiert. Die Erneuerung der Nordhälfte der Ostfassade datiert früher. Sie schloss südlich noch an die bauzeitliche Fassadensubstanz an. Die südliche Hälfte der Ostfassade wurde später erneuert, wobei ein kleines Stück des ehemaligen Rähms zwischen EG und OG erhalten blieb. Dieser Abschnitt unterscheidet sich von der Nordfassade durch das Fehlen von Holznägeln an den Kopfriegeln. Sie ist demnach nicht zeitgleich. Alle drei Abschnitte müssen aber in einem kurzen Zeitraum umgebaut worden sein, da in der Stube im OG alle drei Bereiche gleichzeitig neu verputzt und getüncht wurden.
Im Inneren des OG ist vor allem die Abtrennung eines Mittellängsflurs von der Stube zu erwähnen. Zudem erhielt die verkleinerte Stube eine neue Südwand, die aber etwa an der selben Stelle der alten Wand errichtet wurde. Diese beiden Innenwände wurden einheitlich zusammen mit den erneuerten Außenwänden in der Stube R. 1.2 erstmals verputzt und ockerfarbig getüncht. Es ist unklar, ob der neue Mittellängsflur sich auch in der südlichen Querzone fortsetzte. Jedenfalls befand sich die Treppe ins OG damals noch nicht im Mittellängsflur, da hier in dieser Bauphase ein Kamin errichtet wurde, der sich etwa an Stelle des heutigen oberen Treppenaustritts befand. Dies deutet darauf hin, dass der Treppenstandort des 18. Jahrhunderts zunächst beibehalten wurde. Im EG konnten keine Veränderungen des Grundrisses festgestellt werden. Lediglich an der Täferdecke in der Gaststube mussten zur Wand hin neue Anschlussbretter eingebaut werden. Zudem waren durch die neuen Außenwände auch neue Wandvertäferungen und neue Fenster notwendig, die sich in zwei Fällen noch erhalten haben. Im Untergeschoss erfolgte die nachträgliche Einwölbung des südlichen Kellers. Das Gewölbe aus Ziegelsteinmauerwerk hat ein Format von 30,5 x 15,5 x 6,5 cm, wie es bis ins spätere 19. Jahrhundert üblich war. Da es sich klar um einen nachträglichen Einbau handelt ist eine Datierung ins 18. oder 19. Jahrhundert wahrscheinlich. Naheliegend, aber momentan nicht beweisbar, ist da der große Umbau des Gebäudes um 1816.
Umbauten im späten 19. Jahrhundert:
In der Nacht vom 10. zum 11. Juli 1842 gab es in Markdorf einen verheerenden Stadtbrand, bei dem die ganze östliche Innenstadt abbrannte. Erst mit der Stadtmauer am Obertor konnte der Brand eingedämmt werden, wobei das Tor selbst mit dem darauf gebauten Blaserturm zerstört wurden. Betroffen waren ferner auch das Dach des Kirchturms und die Kirchenglocken. Da das Gebäude Pestalozzistraße 2 nach dem Brand das höchstgelegene Gebäude der Innenstadt war, wurde offensichtlich als Notlösung bis zur Reparatur des Kirchturms auf dem First des Gebäudes eine Glocke angebracht. Ob die Glocke auch für die liturgische Belange genutzt wurde, oder als Uhrenglocke, oder eher für amtliche Zwecke wie Feueralarm etc. ist nicht erkennbar. Jedenfalls haben sich im Gebäude keine Spuren von Glockenseilen oder einem Uhrwerk erhalten.
Infolge des Stadtbrandes wurde ein Wiederbebauungsplan der Brandstatt angefertigt, auf dem auch das untersuchte Gebäude Pestalozzistraße 2 mitsamt dem dazu gehörigen Garten eingezeichnet ist. Als Eigentümer ist ein C. Kolb eingetragen. Das Gebäude beschränkte sich damals noch auf den eigentlichen trapezförmigen Grundriss des Kerngebäudes. Insbesondere fehlt noch die südliche Erweiterung der westlichen Längszone um 2,2 m, die im Baugesuchsplan von 1902 bereits als Bestand eingezeichnet ist. Diese Erweiterung ist demnach zwischen 1842 und 1902 errichtet worden. Statt dessen ist in dem Brandstättenplan am westlichen Rand der Südfassade ein deutlich kleinerer Anbau eingezeichnet, bei dem es sich wohl um einen älteren Abort handelte.
Ebenfalls im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde in der Stube im OG ein großer Kamin eingebaut, der vermutlich vom Längsflur aus zur Beschickung eines oder zweier Hinterladeröfen begehbar war. Zusammen mit oder nach diesem Kamineinbau erhielt die Stube eine schlichte Stuckdecke.
Archivalisch lässt sich eine Gastwirtschaft im Gebäude erst ab 1871 belegen, siehe folgender Artikelausschnitt aus dem Südkurier vom 13.02.2003: “...Von der Geschichte der Wirtschaft "Zu den drei Königen" bei der Post muss man aber die Geschichte der Winzerstube "Zu den drei Königen" am Obertor unterscheiden. Im Jahre 1871 war der Markdorfer Gemeinderat Karl Fritz Inhaber der Wirtschaft bei der Post, über deren Geschichte zuvor berichtet wurde. Fritz verkaufte das auf ihn lautende Schankrecht am 17. Januar 1871 an den Markdorf Altbürgermeister Fidel Kolb. Diesem gehörte zu dieser Zeit das große Fachwerkhaus mit Weinberg am Obertor und er übertrug nun die erworbene Konzession auf sein Haus. Er nannte seine Wirtschaft, welche schon lange als gelegentliche Besenwirtschaft betrieben worden war, nun ebenfalls "Zu den drei Königen". Es gab also zur gleichen Zeit zwei Wirtschaften mit dem Namen "Drei Könige", die man in "alt und neu" unterschied. Das Haus blieb über Jahrzehnte in Familienbesitz. [...] 1894 hat sie Gustav Reck, der Schwiegersohn von Fidel Kolb, übernommen.”
Bauphase um 1900:
Von Gustav Reck wurde 1902 ein Baugesuch für eine größere Veranda eingereicht. Eine bereits bestehende Veranda wurde dafür abgebrochen. Die weitgehend verglaste Veranda ermöglichte bei guter Sicht einen weiten Blick über den Bodensee und das Alpenpanorama. Vermutlich zeitgleich mit der Erbauung der Veranda wurde im EG eine Verbindung zwischen der Gaststube und der Veranda notwendig. Dafür wurde der südöstliche Bereich des EG der Gaststube zugeschlagen. Er erhielt eine Wandvertäfelung und eine Schiebetür zur Veranda. Im Inneren des Gebäudes wurde um diese Zeit ein neuer geschlossener Kamin in der Stube im OG eingebaut. Offensichtlich wurde damals auch ein Teil der Südwand von Raum 1.3 erneuert. Zudem dürfte die Westwand von Raum 1.3 auch erst in dieser Bauphase eingezogen worden sein. Auch im EG ist die Abtrennung des schmalen Mittellängsflures in die Zeit um 1900 zu datieren, wenngleich sie 1902 bereits als Bestand ausgewiesen wurde. Vermutlich war dieser Flur mit der Errichtung der Vorgängerveranda nötig geworden.
Umbauten im 20. Jahrhundert:
In der 2 Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt sich nochmals eine intensive Bautätigkeit beobachten. Dabei sind der Einbau von Toilettenräumen im nordwestlichen EG 1967 sowie der Einbau eines Heizraumes im südwestlichen UG 1971 über Baugesuche genauer zu datieren. Bei letzterer Baumaßnahme wurden offensichtlich auch die Wände der Geschosse über dem Heizkeller neu aufgemauert. Letztlich zeichnet sich ab, dass im EG und OG die ganze westliche Längszone in der 2.Hälfte des 20. Jahrhunderts neu aufgebaut wurde. Reste älterer Wände konnten hier mit Ausnahme der Nordwand von Raum 1.9 nicht mehr beobachtet werden. Zudem wurden im EG und OG alle Türen außer der Gaststubentür im EG in diesem Zeitraum erneuert, ebenso alle Fenster im OG. Im Untergeschoss wurden im nördlichen Keller die Deckenbalken überwiegend erneuert. Dabei wurden auch neue Fehlböden eingebaut und in der Gaststube im EG ein neuer Bodenbelag eingebaut. Zudem wurden fast alle Innenwände mit einem Kalkputz neu verputzt.
Auch im DG fand eine umfangreiche Baumaßnahme statt. Dabei wurden nicht nur einzelne beschädigte Sparren erneuert, sondern auch die Kopfbänder des liegenden Stuhls gegen angeschraubte Kopfstreben ausgetauscht. Zudem wurden an der Nordfassade von 1815/16d zahlreiche durch Hausbockbefall geschwächte Hölzer fassadenseitig abgearbeitet und mit aufgeschraubten 4-5 cm starken Bohlen ergänzt.
(1549 - 1550)
- Erdgeschoss
- Obergeschoss(e)
- Dachgeschoss(e)
- Untergeschoss(e)
(1816)
- Erdgeschoss
- Untergeschoss(e)
- Holzgerüstbau
- Hochfirstständergerüst
(1817 - 1899)
- Erdgeschoss
- Obergeschoss(e)
(1871)
- Anlagen für Handel und Wirtschaft
- Gasthof, -haus
(1900 - 1910)
- Erdgeschoss
- Obergeschoss(e)
- Anbau
(1950 - 1999)
Im EG und OG wurde die ganze westliche Längszone in der 2.Hälfte des 20. Jahrhunderts neu aufgebaut. Hinzu kam die Erneuerung aller Türen außer der Gaststubentür im EG und OG, ebenso alle Fenster im OG. Im Untergeschoss wurden im nördlichen Keller die Deckenbalken überwiegend erneuert. Ferner bekam die Gaststube im EG einen neuen Bodenbelag. Im Dachwerk wurden beschädigte Sparren erneuert und die Kopfbänder des liegenden Stuhls gegen angeschraubte Kopfstreben ausgetauscht. (a)
- Erdgeschoss
- Obergeschoss(e)
- Dachgeschoss(e)
- Untergeschoss(e)
(1967)
- Erdgeschoss
(1971)
- Untergeschoss(e)
Zugeordnete Dokumentationen
- Bauhistorische Untersuchung
Beschreibung
- Siedlung
- Stadt
- Anlagen für Handel und Wirtschaft
- Gasthof, -haus
Zonierung:
Südlich des Gebäudes ist eine verglaste eingeschossige Veranda angebaut.
Das Dach ist teilweise mit historischen handgestrichenen Biberschwanzziegeln eingedeckt, wobei die Ziegel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts neu eingedeckt und mit Plastikschindeln versehen wurden.
Konstruktionen
- Decken
- Täferdecke
- Gewölbe
- Tonnengewölbe
- Dachform
- Satteldach
- Dachgerüst Grundsystem
- Sparrendach, q. geb. mit liegendem Stuhl