Sog. Kavalierbau
Datenbestand: Bauforschung
Objektdaten
Straße: | Kislauerstraße |
Hausnummer: | 5 |
Postleitzahl: | 76669 |
Stadt-Teilort: | Bad Schönborn-Mingolsheim |
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Regierungsbezirk: | Karlsruhe |
Kreis: | Karlsruhe (Landkreis) |
Wohnplatzschlüssel: | 8215100004 |
Flurstücknummer: | 6356 |
Historischer Straßenname: | keiner |
Historische Gebäudenummer: | keine |
Lage des Wohnplatzes: |
Kartenansicht (OpenStreetMaps)
Bauphasen
Die mittelalterliche Wasserburg Kislau wurde 1675 durch französische Truppen zerstört. Unter Einbeziehung des erhaltenen Bergfriedes entstand unter dem Speyerer Fürstbischof Damian Hugo von Schönborn ab den 1720er Jahren ein als Sommerresidenz genutztes Schloss, das unter dessen Nachfolger, Franz Christoph von Hutten, in den späten 1760er Jahren um zusätzliche Wirtschaftsgebäude, den heutigen westlichen Wirtschaftshof, erweitert wurde.
1803 gelangte das Schloss mit den es umgebenden Orten in badischen Besitzt und diente in den Kriegsjahren 1813-15 als Lazarett. Im Jahr 1819 dann als Kaserne genutzt, war es bis 1864 ein Gefängnis. Danach kaufte es der Bruchsaler Fabrikant Groß und funktionierte den Bau zur Korsettfabrik um. 1882 erwarb der Staat das Gebäude zurück und nutzte es als polizeiliches Arbeitshaus. 1930 wurde das Schloss zeitweilig ein Pflegeheim für geistesschwache Frauen genutzt. Zu Beginn des ersten Weltkrieges wurde ein Lazarett auf dem Gelände stationiert. Seit 1948 befindet sich in dem ehemaligen Schloss eine Zweigstelle der Strafanstalt Bruchsal.
Der Kavalierbau ist das Hauptgebäude der ehemaligen Vorburg und wurde in den 1860er Jahren von Leonhard Stahl errichtet. Der Bau besteht aus dem eigentlichen Kavalierbau am Südende, dem Amtshaus am Nordende und dem Marstall in der Mitte.
Das Amtshaus wurde nicht vor 1765 (d), wahrscheinlich im Jahr 1766 errichtet und im Anschluss, bis 1769 (d), die übrigen Bauabschnitte. Im Erdgeschoss des Marstallbaus wurde ein stützenfreier Stall erbaut.
Wohl erst nach dem Übergang des Schlosses Kislau an Baden erfuhr das Gebäude verschiedene Veränderungen, die zunächst vor allem den nicht mehr benötigten Marstall betrafen. Dessen Bodenniveau wurde angehoben und der Raum durch drei Querwände in vier Räume unbekannter Nutzung unterteilt. Wohl um 1814 (d) erfolgte die Abfangung der Decke durch hölzerne Stützen zusätzlich zu den beiden Unterzügen. Zur gleichen Zeit fand der Einbau des zusätzlichen Treppenhauses über dem ehemaligen Amtskeller statt.
Zu den jüngeren Veränderungen zählen die Erneuerung der Deckenstützen (samt Unterzügen) im südlichen Teil des ehemaligen Marstalles (um 1890), der Ersatz des rückseitigen Treppenturms durch den heutigen Toilettenanbau und der Tausch von Treppe und Abort im ehemaligen Amtshaus (beides wohl erst im 20. Jahrhundert).
1999-2000 erfolgte Sanierung des Gebäudes, Ausbau des Nordteils im 1. OG, die Einrichtung einer Schleiferei im Südflügel des Kavalierbaus sowie die Instandsetzung des Daches.
(1765 - 1769)
Der Amtshaus wurde nicht vor 1765 (d), wahrscheinlich 1766 errichtet. Anschließend wurden die übrigen Bauabschnitte im Jahr 1769 (d) errichtet. Im Erdgeschoss des Marstallbaus wurde ein stützenfreier Stall erbaut. (a) (d)
- Öffentliche Bauten/ herrschaftliche Einrichtungen
- Amtsgebäude
- Residenz- und Hofhaltungsbauten
- Marstall
(1803 - 1814)
(1814)
(1890)
(1900 - 1948)
(1948 - 2009)
- Öffentliche Bauten/ herrschaftliche Einrichtungen
- Gefängnis
(1999 - 2000)
- Gewerbe- und Industriebauten
- Werkstattgebäude
- Öffentliche Bauten/ herrschaftliche Einrichtungen
- Gefängnis
Zugeordnete Dokumentationen
- Bauhistorische Untersuchung während der Sanierungsarbeiten des sog. Kavalierbaus
Beschreibung
- Einzellage
- allgemein
- Schlossanlage
- allgemein
- Öffentliche Bauten/ herrschaftliche Einrichtungen
- Gefängnis
Zonierung:
Der südliche, vollständig unterkellerte Abschnitt wird seitens der Tordurchfahrt erschlossen. Der Eingang führt in einen Mittelflur, der nicht ganz bis zur südlichen Außenwand durchläuft. Im hofseitigen Winkel zwischen Flur und Tordurchfahrt liegt das bis in den Dachraum reichende Treppenhaus mit einer steinernen einläufigen Treppe mit Eckpodesten. Das ebenfalls zwei Räume tiefe Obergeschoss mit durchlaufendem Mittelflur besitzt zwei zusätzliche Räume über der Tordurchfahrt.
Vom Erdgeschoss des mittleren Abschnittes wurde nur ein zwei Achsen breiter Raumstreifen am nördlichen Ende unterkellert, der deshalb höher liegt als die übrigen Räumlichkeiten. Hier befindet sich hofseitig eine hölzerne zweiarmige Treppe mit Wendepodest, die bis zum ersten Dachgeschoss reicht. Der Zugang von der Tordurchfahrt musste wegen des mittig in der Südwand der Durchfahrt angeordneten Kellerabganges aus der Mitte des Gebäudes zum Hof hin verschoben werden, weswegen er ins Treppenhaus einschneidet.
Die übrige Fläche des mittleren Kompartiments war ehemals ein großer, ungeteilter Saal, in dessen nördliche Hälfte später einige Zwischenwände eingezogen wurden.
Das Obergeschoss enthält zwei Raumfluchten mit unterschiedlich großen Räumen, die von einem Mittellängsflur begleiten werden.
Der nicht unterkellerte nördliche Abschnitt entspricht in seiner Anlage dem südlichen, zeigt aber einige Abweichungen. Vor allem reicht er eine Achse weiter in den nördlichen Seitenflügel hinein, ist also von der Dachform her gesehen zweiflügelig angelegt. Im Grundriss macht sich dies nur dadurch bemerkbar, dass der Mittellängsflur, dessen Lage sich nach der größeren Gebäudetiefe im Norden richtet, den südlichen Räumen der Hofseite wenig Platz lässt. Möglicherweise wurde deshalb die bis zum Dach reichende hölzerne Treppe einläufig mit halbkreisförmiger Zwischenwendelung angelegt, in einer Form also, die auf engen Raum große Steigungen überwinden kann.
Im Erdgeschoss ist ein zweijochig überwölbter Raum am Gelenk zwischen Kavalierbau und nördlichem Seitenflügel bemerkenswert. Im Obergeschoss lässt sich die weitgehend originale Raumstruktur an den größtenteils erhaltenen Deckenstuckprofilen erkennen. Der südöstliche Raum wird durch die Verbindungstür zum mittleren Abschnitt und die ihr vorgelagerte Verbreitung des Längsflures beschnitten.
Der Dachraum wird durch die beiden vom Erdgeschoss aufsteigenden Brandmauern in drei Abschnitte geteilt. Die Räume sind nicht ausgebaut.
Das ursprüngliche Fußbodenniveau im Erdgeschoss des mittleren Kompartiments lag etwa 80 cm. tiefer als das gegenwärtige.
Das Treppenhaus im Norden wird als bauzeitlich eingeschätzt. Es hat lediglich sehr früh, vermutlich noch im Rohbau, eine Änderung mit entsprechender Verbreiterung der Treppe erfahren. Die Treppe im Mittelbau ist jüngeren Datums.
Ähnlicher Schmuck, jedoch ohne Wappenbild, befindet sich über dem Flachbogen der von Pilastern flankierten seitlichen Einfahrten.
Die lange, auf einem niedrigen Sockel gesetzte und durch ein Gurtgesims in halber Höhe unterteilte Fassade entlang der Schlosszufahrt gliedert sich in fünfundzwanzig Achsen schlichter, im Erdgeschoss rechteckiger, im Obergeschoss segmentbogiger Fenster. Eine zurückhaltende, symmetrisch auf die Mittelachse bezogene Rhythmisierung erfährt sie durch flache, ebenfalls von Pilastern flankierte Risalite (Eck- und Mittelrisalite). Die Eckrisalite sind nur zwei Achsen breit, während der Mittelrisalit fünf Achsen umfasst, von denen die drei mittleren nochmals leicht vorgezogen wurden.
Aufwendig gestaltete Segmentbogenportale an den beiden Hofdurchfahrten. Ihre nur knapp vorspringende gerade Verdachung liegt in Höhe des Gurtgesimses. Deutlich hervorgehoben wurde auch der segmentbogige und darüber gerade verdachte Eingang auf der Mittelachse, bei dem allerdings weder die Schwellenhöhe auf die Sockeloberkante noch die Verdachung auf das Gurtgesims Bezug nimmt.
Konstruktionen
- Steinbau Mauerwerk
- allgemein
- Dachgerüst Grundsystem
- Sparrendach, q. geb. mit liegendem Stuhl
- Decken
- Balkendecke
- Detail (Ausstattung)
- bemerkenswerte Treppen
- Dachform
- Satteldach mit beidseitigem Vollwalm
- Dachgerüst, verstärkende Einbauten
- Hängewerk
Das Sandsteingebäude besitzt Holzbalkendecken.
Alle drei Dachwerksabschnitte sind grundsätzlich gleich konstruiert und zwar als Sparrendächer mit einer Kehlbalkenlage und aussteifendem liegendem Stuhl. Die Stuhlsäulen stehen auf Schwellen und sind zu diesen hin durch Fußstreben, zu den Stuhlrähmen hin durch Kopfstreben ausgestreift. Da die Kehlbalken nicht durch weitere Unterzüge unterstützt werden, verlaufen die Spannriegel der Binder direkt unter den Kehlbalken. Mit Ausnahme der aus Eichenholz gefertigten Streben des nördlichen Abschnittes wurde nur Nadelholz verarbeitet; überwiegend Tanne, vereinzelt auch Fichte.
Der südliche Dachwerkabschnitt weist am Südende hingegen einen Walm auf, wobei die große Treppenöffnung in der Dachbalkenlage berücksichtigt wurde. Letztere bedingte die nicht ganz gleichmäßige Abfolge der Binder und erforderte wegen ihrer Breite zudem einen unvollständigen „Zwischenbinder“, der aus einer Stuhlsäule auf der Ostseite besteht. Unter dem Walm sind zwei Gratbinder und zwei halbe Längsbinder angeordnet, deren Spannriegel gegen den Spannriegel des südlichen Querbinders laufen.
In der Anlage dem südlichen Dachwerkabschnitt sehr ähnlich ist der nördliche. Der sich in der Art eines kurzen Querflügels nach Westen verbreiternde nördliche Teil erhielt keine grundsätzlich abweichende Dachkonstruktion, sondern lediglich zwei Querbinder von größerer Spannweite. Hinzu kommen am Vorsprung der westlichen Dachfläche ein Grat- und ein Kehlbinder, deren Spannriegel gegen den Spannriegel des zweiten Querbinders von Norden laufen. Der Kehrbinder ist heute nicht mehr vorhanden, doch zeugt noch das Zapfenloch im Spannriegel des Querbinders von seiner ursprünglichen Existenz.
Im mittleren Dachwerksabschnitt schwanken die Binderabstände stark, bedingt vermutlich durch die ursprüngliche Raumaufteilung des Obergeschosses. Mit Ausnahme des Binders unmittelbar vor der südlichen Brandmauer sind in alle Binder (insgesamt neun) in ein Hängewerk integriert, das jeweils aus zwei verdoppelten Hängesäulen über den beiden Flurwänden im Obergeschoss, zwei langen Hängestreben vom Dachbalken zum Spannriegel und zwei weiteren Hängestreben vom Kehlbalken zu den Hängesäulen besteht. Die Hängewerke trugen ursprünglich mittels langer, starker Eisenbänder die Erdgeschossdecke sowie die auf der Decke lastenden Konstruktionsteile des Obergeschosses (Zwischenwände, Decken). Die Eisenbänder beginnen zwischen den beiden Hölzern der verdoppelten Hängesäulen. Gehalten werden sie von zwei durch horizontale Schlitze in den Bändern und Stuhlsäulen gesteckten, hochkant gestellten Flacheisen. Um ein Eindrücken in das Holz oder sogar dessen Aufreißen zu verhindern, sind quer durch beide Teile der Hängesäulen nochmals Rundstäbe gesteckt, auf denen die Flacheisen aufliegen.
Abweichend vom gesamten übrigen Dach, sind die Dachbalken in den beiden nördlichen Binderfeldern des mittleren Dachraumes, d.h. an der Zäsur zwischen nördlichem und mittlerem Dachwerk, an zwei starken Überzügen aufgehängt. Die Befestigung der Balken an den Überzügen erfolgt durch Gewindestäbe und Vierkantmuttern, deren Detailausbildung der Verschraubung der Hängesäulenköpfe entspricht. Da die Eisenträger der Hängewerke durch Schlitze der Überzüge hindurchlaufen, werden letztere nicht direkt von den Hängesäulen getragen, sondern liegen auf den von der Erdgeschossdecke her unterstützten Bundbalken auf.
Das Gebäude überzieht ein Walmdach.